Instanzgerichte SozR
Landessozialgericht Baden-Württemberg Urt. v. 27.06.2017, Az.: L 11 R 643/17
Sozialversicherungsbeitragspflicht; Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen; Arbeitnehmerüberlassung; Bestimmung des Arbeitsentgelts im Rahmen der Beitragsbemessung; Zuflussprinzip

Landessozialgericht Baden-Württemberg
Urt. v. 27.06.2017, Az.: L 11 R 643/17

Sozialversicherungsbeitragspflicht; Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen; Arbeitnehmerüberlassung; Bestimmung des Arbeitsentgelts im Rahmen der Beitragsbemessung; Zuflussprinzip

Redaktioneller Leitsatz

1. In der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung liegt bei versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung für den vom Arbeitgeber zu zahlenden Gesamtsozialversicherungsbeitrag gemäß §§ 28d, 28e SGB IV das Arbeitsentgelt zugrunde.

2. Für die Bestimmung des Arbeitsentgelts gilt im Rahmen der Beitragsbemessung grundsätzlich das Entstehungsprinzip; das für die Sozialversicherung zentrale Entstehungsprinzip hat zum Inhalt, dass Versicherungspflicht und Beitragshöhe bei dem Beschäftigten nach dem arbeitsrechtlich geschuldeten (etwa dem Betroffenen tariflich zustehenden) Arbeitsentgelt zu beurteilen sind - was sich etwa bei untertariflicher Bezahlung auswirkt - und nicht lediglich nach dem einkommensteuerrechtlich entscheidenden, dem Beschäftigten tatsächlich zugeflossenen Entgelt (sog. Zuflussprinzip).

3. Der Zufluss von Arbeitsentgelt ist für das Beitragsrecht der Sozialversicherung nur entscheidend, soweit der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mehr leistet als ihm unter Beachtung der gesetzlichen, tariflichen oder einzelvertraglichen Regelungen zusteht, d.h. dann, wenn ihm also über das geschuldete Arbeitsentgelt hinaus überobligatorische Zahlungen zugewandt werden

4. Nach der Rechtsprechung der Gerichte der Arbeitsgerichtsbarkeit steht rechtskräftig fest, dass die CGZP vom Zeitpunkt ihrer Gründung am 11.12.2002 bis jedenfalls zum 14.12.2010 nicht tariffähig war; an diese Feststellungen zur mangelnden Tariffähigkeit der CGZP ist der Senat - wie alle Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit - auch gebunden.

5. Auch unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BSG zur Geltung des Entstehungsprinzips im Recht der Sozialversicherung, der sich der Senat in allen Punkten anschließt, sind Ansprüche der Leiharbeitnehmer nach § 10 Abs. 4 AÜG a.F. als einmalig gezahltes Arbeitsentgelt zu werten und bei einmalig gezahltem Arbeitsentgelt entstehen die Beitragsansprüche erst, wenn das Arbeitsentgelt ausbezahlt worden ist; insoweit gilt weiterhin das Zuflussprinzip (§ 22 Abs. 1 Satz 2 SGB IV).

Der 11. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg in Stuttgart hat auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 27.06.2017
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28.01.2014 sowie der Bescheid der Beklagten vom 26.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.04.2013 aufgehoben.

Die Kosten des Rechtsstreits im Klage- und im Berufungsverfahren trägt die Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 141.703,14 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Nachforderung von Beiträgen und Säumniszuschlägen in Höhe von insgesamt 141.703,14 € durch den beklagten Rentenversicherungsträger.

Die Klägerin betrieb als Einzelkauffrau (e.K.) ua in den Jahren 2005 bis 2009 Arbeitnehmerüberlassung; sie war im Besitz einer Erlaubnis nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Nachdem das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Rahmen einer Entscheidung über eine